DMS - Segen UND Fluch (Vor- und Nachteile der DMS)
Verfasst: Mi 19. Mai 2021, 20:05
Es folgt eine Zusammenstellung der Vor- und Nachteile der DMS (die 'Segen' und 'Füche').
Segen der DMS:
Die DMS (Dehnmessstreifen/Wägezellen) in den Druckern der RFx000 Serie wurden (vermutlich) als Novum eingeführt, um eine automatische Bettausrichtung zu ermöglichen. Conrad hat darauf angeblich ein Patent angemeldet. Diese Ausrichtung berücksichtigt auch eventuelle Unebenheiten des Betts und speichert quasi ein vereinfachtes Höhenprofil in einer 12x11 Matrix ab (es ist nur scheinbar eine 14x13 Matrix, die äußersten Reihen und Spalten werden bloß dupliziert). Die Firmware berücksichtigt diese Matrix und vermag das Höhenprofil einigermaßen zu kompensieren.
Die Methoden der Konkurrenz beschränken sich meist nur auf das Abtasten der vier Ecken des Betts – wie ‚hügelig‘ es dazwischen aussieht, wird dort häufig ignoriert.
Diese Automatik im RFx000 zählt sicherlich zu den Vorteilen der Baureihe, und das dank der DMS.
Bei der Einführung des RF1000 wurden die DMS zusätzlich zur Auslösung eines Not-Stopps, bei Überschreitung einer gewissen Kraft, verwendet.
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Natürlich könnte man so eine Bett- oder Werkstück-Abtastung ohne DMS durchführen, analog vieler Konkurrenzprodukte. Eine Not-Stopp-Funktion, wie sie im RFx000 implementiert ist, ließe sich hingegen kaum ohne DMS bewerkstelligen.
Damit habe ich, glaube ich, die von Conrad vorgesehenen Aufgaben der DMS abgehandelt.
Damit komme ich zu den erweiterten DMS-basierten Fähigkeiten, welche die Community Version der Firmware bereitstellt. Hier bin ich, da ich diese Version nicht verwende, auf die Angaben im Wiki angewiesen. Ich bitte etwaige Fehler zu entschuldigen. Diesen Abschnitt können alle, die die Community Version gut kennen, gerne überspringen.
Segen der DMS von der Community Version der Firmware ausgenutzt:
Z-Offset Scan: Damit wird ein weiteres Mal der Abstand zwischen Düse und Bett ermittelt, um den ‚Z=0‘-Punkt anzugleichen.
Automatische Startmade ist eine weitere Komfort-Funktion, dass das Druckergebnis nicht unmittelbar beeinflusst und die DMS benutzt.
Damit sind hoffentlich alle derzeitigen Firmwaremodifikationen der Community-Version, die auf den DMS basieren, abgehandelt (Stand: 20210519).
Und da wir gerade bei den Vorteilen sind, die man aus den DMS 'kitzeln' kann, möchte ich eine neue, noch nicht implementierte Idee beisteuern und auch gleich benennen:
ExtrusionSense: Zweck dieser Funktion ist eine vereinfachte Filamentüberwachung die ohne zusätzliche Hardware auskommt.
Damit bin ich am Ende der Vorteile der DMS. Jetzt kommen die Nachteile an die Reihe. Keine Angst, das geht jetzt schneller als die Beschreibung der Vorteile.
Fluch der DMS:
Beim Drucken ist der mir zurzeit einzig bekannte Nachteil die Durchbiegung der DMS unter Last (ein technisch notwendiger und folglich gewollter Teil der Funktion).
Diese Durchbiegung ist schon länger bekannt. Die Community Firmware versucht diese mit dem Feature Digit CMP auszugleichen (siehe weiter oben).
Man könnte meinen, diese Durchbiegung wäre vernachlässigbar. Für mich ja, meistens. Bei mir ist der Grund meine am häufigsten verwendeten Layerhöhen (0.35, 0.4, 0.45 und sogar gelegentlich 0.5mm). Siehe dazu beispielsweise auch den zweiten Beitrag im Thread ExtrusionSense. Da wurde mit 0.45mm Layerhöhe gedruckt.
Das Problem der Durchbiegung wird mit kleineren Layerhöhen leider immer schlimmer.
Meinen Messungen nach (mit Messuhr durchgeführt) ergibt sich eine Durchbiegung von ca. 0.05mm bei einem F-Digit-Delta-Wert von 3000 (das entspricht einen Digit-Wert, der um 3000 über dem Ruhewert liegt). Wann immer mit so einem Digit-Wert gedruckt wird (bei mir also ca. 75% der Zeit), befindet sich die Düsenspitze um 0.05mm näher als geplant am Druckobjekt.
OK, könnte man sich denken, vermutlich wird im nächsten Layer derselbe Digit-Wert herrschen und dann gleicht es sich wieder aus.
Stimmt auch zum großen Teil. Unterschiede wird es im selben Layer jedoch geben, da die Füllung und die Umrisse unterschiedlich schnell gedruckt werden und daher die Digits wahrscheinlich unterschiedlich ausfallen werden (siehe dazu ebenfalls den zweiten Beitrag zu ExtrusionSense (link weiter oben), wo solche Werte aufgezeichnet wurden). Ebenso kann es von Layer zu Layer zu unterschiedlichen Layerzeiten kommen, wenn Teile vom Druckobjekt, oder andere Druckobjekte im verhergehenden Layer fertig wurden. Sinken die Layerzeiten wird oft die Geschwindigkeit heruntergesetzt, um die Abkühlzeit zu gewährleisten. Und wie eben festgestellt: ändert sich die Geschwindigkeit, ändert sich der Digit-Wert.
Ich schrieb, bei kleinen Layerhöhen ist das Problem größer. Das kommt schlicht vom prozentuellen Verhältnis der Durchbiegung zur Layerhöhe. Bei einer Layerhöhe von 0.45mm macht der 0.05mm-Fehler etwas über 11% der Layerhöhe aus. Bei einer Layerhöhe von 0.2mm bereits 25% und bei 0.1mm Layerhöhe schon die Hälfte der Layerhöhe aus.
Den Fehler wird man in der Füllung (im Infill) nicht sehen. Am ehesten an den Umrissen, (zumindest jene, die schließlich sichtbar sind). Es wird sich in etwa so auswirken, wie wenn es Schwankungen im Filamentdurchmesser gegeben hätte, nur dass es in Wirklichkeit an Schwankungen der Layerhöhe lag. Und diese würden auch nur dort vorkommen, wo es deutliche Unterschiede in den Druckgeschwindigkeiten der benachbarten Layer gegeben hat. Keine Katastrophe, also. Sonst wäre es uns allen schon früher aufgefallen.
Beim Fräsen wirkt sich diese Durchbiegung (meiner Meinung nach) viel schlimmer aus.
Meine Messungen haben die notwendige Kraft nicht ermittelt, daher kann ich nicht sagen, welche Kraft eine Digit-Wert-Änderung von z.B. 3000 verursacht. Gefühlsmäßig kommen wir jedoch langsam in die Region der üblichen Schnittkräfte. Damit wird sich der Fräser um beinahe den Betrag (also bis zu 0.05mm oder vielleicht sogar mehr!) in alle Richtungen bewegen (also ausweichen). Das kann zu keinem guten Fräsergebnis führen und wird dem Werkzeug auch nicht gut tun.
Zusammenfassung:
Insgesamt glaube ich, dass für den 3D Druck die Vorteile (die ‚Segen‘) der DMS überwiegen.
Beim Fräsen hängt es stark von der Größe der Schnittkräfte ab. Für minimale Gravierarbeiten, das Platinenfräsen und das Bearbeiten einfacher Materialien (Hartschaum, Balsa, Weichholz, Plexiglas, usw.) dürfte es ebenso kaum Probleme geben, da hier die Schnittkräfte kaum was ausmachen. In anderen Fällen würde ich davon abraten, die DMS beim Fräsen zu benutzen und die Befestigung der Frässpindel nicht an die DMS zu koppeln. Damit verliert man zwar die Vorteile der Abtastung - damit wird man leben müssen.
Mögen alle 3D Drucker, Fräser sowie ihre Lieben und Freunde von COVID-19 verschont bleiben!
mjh11
Segen der DMS:
Die DMS (Dehnmessstreifen/Wägezellen) in den Druckern der RFx000 Serie wurden (vermutlich) als Novum eingeführt, um eine automatische Bettausrichtung zu ermöglichen. Conrad hat darauf angeblich ein Patent angemeldet. Diese Ausrichtung berücksichtigt auch eventuelle Unebenheiten des Betts und speichert quasi ein vereinfachtes Höhenprofil in einer 12x11 Matrix ab (es ist nur scheinbar eine 14x13 Matrix, die äußersten Reihen und Spalten werden bloß dupliziert). Die Firmware berücksichtigt diese Matrix und vermag das Höhenprofil einigermaßen zu kompensieren.
Die Methoden der Konkurrenz beschränken sich meist nur auf das Abtasten der vier Ecken des Betts – wie ‚hügelig‘ es dazwischen aussieht, wird dort häufig ignoriert.
Diese Automatik im RFx000 zählt sicherlich zu den Vorteilen der Baureihe, und das dank der DMS.
Bei der Einführung des RF1000 wurden die DMS zusätzlich zur Auslösung eines Not-Stopps, bei Überschreitung einer gewissen Kraft, verwendet.
Klappte das damals schon
Im Fräsmodus kann man mittels DMS auch das Werkstück abtasten, was auch vorgesehen ist. Damit kann eine Schieflage des Werkstücks kompensiert werden oder der Nullpunkt für den Fräser bestimmt werden..
Natürlich könnte man so eine Bett- oder Werkstück-Abtastung ohne DMS durchführen, analog vieler Konkurrenzprodukte. Eine Not-Stopp-Funktion, wie sie im RFx000 implementiert ist, ließe sich hingegen kaum ohne DMS bewerkstelligen.
Damit habe ich, glaube ich, die von Conrad vorgesehenen Aufgaben der DMS abgehandelt.
Damit komme ich zu den erweiterten DMS-basierten Fähigkeiten, welche die Community Version der Firmware bereitstellt. Hier bin ich, da ich diese Version nicht verwende, auf die Angaben im Wiki angewiesen. Ich bitte etwaige Fehler zu entschuldigen. Diesen Abschnitt können alle, die die Community Version gut kennen, gerne überspringen.
Segen der DMS von der Community Version der Firmware ausgenutzt:
Z-Offset Scan: Damit wird ein weiteres Mal der Abstand zwischen Düse und Bett ermittelt, um den ‚Z=0‘-Punkt anzugleichen.
Details
SenseOffset: Damit wird der Abstand zwischen Düse und Druckobjekt während dem Drucken automatisch angepasst Details
DigitFlowCompensation: Hierbei wird die Druckgeschwindigkeit und/oder der Extrusionsmultiplikator verändert, um einen möglichst konstanten Druck in der Schmelzkammer des Hot Ends (Extruders) zu erreichen. Damit erhofft man sich ein homogeneres Druckbild.Details
Digit CMP: Ist ein Feature, welches einen der Hauptnachteile der DMS zu kompensieren versucht: die Durchbiegung (der DMS).Details
Digit Homing: Behandelt eine Unzulänglichkeit der DMS. Diese Funktion ‚nullt‘ den 'Digit-Wert' nach dem Homing.Details
Erwähnen tue ich noch ViscositySense, wo man sich Material-spezifische Kurven des Extrusionswiderstands, als Funktion der Extrusionsgeschwindigkeit, ermitteln lassen kann (siehe auch hier). Die Funktion hat keinen direkten Einfluss auf die Druckqualität, kann sich aber als sehr brauchbar herausstellen falls man sehr in die Tiefe des Druckprozesses gehen will. ViscositySense benötigt zwingend die DMS.Automatische Startmade ist eine weitere Komfort-Funktion, dass das Druckergebnis nicht unmittelbar beeinflusst und die DMS benutzt.
Damit sind hoffentlich alle derzeitigen Firmwaremodifikationen der Community-Version, die auf den DMS basieren, abgehandelt (Stand: 20210519).
Und da wir gerade bei den Vorteilen sind, die man aus den DMS 'kitzeln' kann, möchte ich eine neue, noch nicht implementierte Idee beisteuern und auch gleich benennen:
ExtrusionSense: Zweck dieser Funktion ist eine vereinfachte Filamentüberwachung die ohne zusätzliche Hardware auskommt.
Details
Eine genauere Beschreibung findet man hier.]. Dieser ‚Segen‘ wurde erst erdacht und wurde noch nicht in die Firmware umgesetzt (Stand: 20210519). Möglich wäre das nur durch die DMS.Damit bin ich am Ende der Vorteile der DMS. Jetzt kommen die Nachteile an die Reihe. Keine Angst, das geht jetzt schneller als die Beschreibung der Vorteile.
Fluch der DMS:
Beim Drucken ist der mir zurzeit einzig bekannte Nachteil die Durchbiegung der DMS unter Last (ein technisch notwendiger und folglich gewollter Teil der Funktion).
Diese Durchbiegung ist schon länger bekannt. Die Community Firmware versucht diese mit dem Feature Digit CMP auszugleichen (siehe weiter oben).
Man könnte meinen, diese Durchbiegung wäre vernachlässigbar. Für mich ja, meistens. Bei mir ist der Grund meine am häufigsten verwendeten Layerhöhen (0.35, 0.4, 0.45 und sogar gelegentlich 0.5mm). Siehe dazu beispielsweise auch den zweiten Beitrag im Thread ExtrusionSense. Da wurde mit 0.45mm Layerhöhe gedruckt.
Das Problem der Durchbiegung wird mit kleineren Layerhöhen leider immer schlimmer.
Meinen Messungen nach (mit Messuhr durchgeführt) ergibt sich eine Durchbiegung von ca. 0.05mm bei einem F-Digit-Delta-Wert von 3000 (das entspricht einen Digit-Wert, der um 3000 über dem Ruhewert liegt). Wann immer mit so einem Digit-Wert gedruckt wird (bei mir also ca. 75% der Zeit), befindet sich die Düsenspitze um 0.05mm näher als geplant am Druckobjekt.
OK, könnte man sich denken, vermutlich wird im nächsten Layer derselbe Digit-Wert herrschen und dann gleicht es sich wieder aus.
Stimmt auch zum großen Teil. Unterschiede wird es im selben Layer jedoch geben, da die Füllung und die Umrisse unterschiedlich schnell gedruckt werden und daher die Digits wahrscheinlich unterschiedlich ausfallen werden (siehe dazu ebenfalls den zweiten Beitrag zu ExtrusionSense (link weiter oben), wo solche Werte aufgezeichnet wurden). Ebenso kann es von Layer zu Layer zu unterschiedlichen Layerzeiten kommen, wenn Teile vom Druckobjekt, oder andere Druckobjekte im verhergehenden Layer fertig wurden. Sinken die Layerzeiten wird oft die Geschwindigkeit heruntergesetzt, um die Abkühlzeit zu gewährleisten. Und wie eben festgestellt: ändert sich die Geschwindigkeit, ändert sich der Digit-Wert.
Ich schrieb, bei kleinen Layerhöhen ist das Problem größer. Das kommt schlicht vom prozentuellen Verhältnis der Durchbiegung zur Layerhöhe. Bei einer Layerhöhe von 0.45mm macht der 0.05mm-Fehler etwas über 11% der Layerhöhe aus. Bei einer Layerhöhe von 0.2mm bereits 25% und bei 0.1mm Layerhöhe schon die Hälfte der Layerhöhe aus.
Den Fehler wird man in der Füllung (im Infill) nicht sehen. Am ehesten an den Umrissen, (zumindest jene, die schließlich sichtbar sind). Es wird sich in etwa so auswirken, wie wenn es Schwankungen im Filamentdurchmesser gegeben hätte, nur dass es in Wirklichkeit an Schwankungen der Layerhöhe lag. Und diese würden auch nur dort vorkommen, wo es deutliche Unterschiede in den Druckgeschwindigkeiten der benachbarten Layer gegeben hat. Keine Katastrophe, also. Sonst wäre es uns allen schon früher aufgefallen.
Beim Fräsen wirkt sich diese Durchbiegung (meiner Meinung nach) viel schlimmer aus.
Meine Messungen haben die notwendige Kraft nicht ermittelt, daher kann ich nicht sagen, welche Kraft eine Digit-Wert-Änderung von z.B. 3000 verursacht. Gefühlsmäßig kommen wir jedoch langsam in die Region der üblichen Schnittkräfte. Damit wird sich der Fräser um beinahe den Betrag (also bis zu 0.05mm oder vielleicht sogar mehr!) in alle Richtungen bewegen (also ausweichen). Das kann zu keinem guten Fräsergebnis führen und wird dem Werkzeug auch nicht gut tun.
Zusammenfassung:
Insgesamt glaube ich, dass für den 3D Druck die Vorteile (die ‚Segen‘) der DMS überwiegen.
Beim Fräsen hängt es stark von der Größe der Schnittkräfte ab. Für minimale Gravierarbeiten, das Platinenfräsen und das Bearbeiten einfacher Materialien (Hartschaum, Balsa, Weichholz, Plexiglas, usw.) dürfte es ebenso kaum Probleme geben, da hier die Schnittkräfte kaum was ausmachen. In anderen Fällen würde ich davon abraten, die DMS beim Fräsen zu benutzen und die Befestigung der Frässpindel nicht an die DMS zu koppeln. Damit verliert man zwar die Vorteile der Abtastung - damit wird man leben müssen.
Mögen alle 3D Drucker, Fräser sowie ihre Lieben und Freunde von COVID-19 verschont bleiben!
mjh11