Die freie Extrusion - Das Maß aller Dinge. Ein Hinweis auf den Düsendurchmesser oder auf was gänzlich anderes?
Verfasst: Sa 3. Mär 2018, 20:59
Oft wird zur Festlegung der Extrusionsbreite der (tatsächliche) Düsendurchmesser verwendet. Dabei wird geraten, dem Düsendurchmesser einen geringfügigen Prozentsatz aufzuschlagen und den ermittelten Wert als Extrusionsbreite vorzugeben.
Auch ich verwende diesen Ansatz obwohl ich den Vorgang nicht mehr so akribisch befolge wie noch vor Jahren. Mir reicht als Ausgangswert völlig die Angabe des Solldurchmessers der Düse, z.B. 0.4mm. Ob diese 0.4 tatsächlich 0.4213mm entsprechen oder 0.3874 ist mir egal. Und wie ich selbst durch eigene Dummheit schon zweimal erlebt habe, muss die Raupenbreite doch nicht so sehr mit dem Düsendurchmesser verknüpft werden, wie ich lange dachte (siehe dazu diesen Beitrag).
Für jene, die sich als Puristen sehen, ist es wichtig, hier den tatsächlichen Düsendurchmesser zu verwenden - zumindest einen möglichst genau ermittelten Wert als Basis der Berechnung heranzuziehen. Allerdings ist hier der Knackpunkt, diesen Durchmesser zu ermitteln. Schließlich haben nur wenige ein Messmikroskop zur Hand, oder einen Satz Maßdorne in Hundertstel-Milimeterabstufung.
Die Not macht erfinderisch und so wird häufig der Durchmesser einer freien Extrusion verwendet und mit dem tatsächlichen Düsendurchmesser gleichgesetzt. Dann werden Werte wie zum Beispiel 0.42 als tatsächlicher Düsendurchmesser zitiert.
Jene Puristen, die solche 'genauen Werte' im hundertstel-Millimeter Bereich verwenden, müssten eigentlich nach jedem
längeren Druck den Durchmesser erneut ermitteln da die Düsen verschleißen, außer es werden Stahl-, Nirosta-, beschichtete oder sonstige Spezialdüsen verwendet, die gegen Abnützung gefeit sind.
Viele der Filamente verwenden Zusatzstoffe, meist Pigmente, die einen Verschleiß der Düse verursachen. Ein häufiges Pigment, Titanoxyd, wird oft für die Farbe Weiß verwendet und ist nebenbei ein einfaches Schleifmittel. Carbon-hältige Filamente sind hier ebenso sehr aggressiv. Auch die exotischen Filamente, die im Dunkeln leuchten, verwenden Pigmente, die Düsen stark abnützen. Bei allen Filamenten wird sich eine gewöhnliche Düse aus Messing abnützen und der Bohrungsdurchmesser wird zunehmen, bei manchen Filamenten stärker, bei anderen weniger.
Spezialdüsen aus Nirosta, usw., werden sich ebenfalls abnützen, allerdings nicht in dem Maß. Nur die noch zurzeit seltener verwendeten Düsen mit Saphir- bzw. Rubin-Einsatz (AL2O3), sind so ziemlich gegen jede Abnützung gefeit, außer, man würde Filamente mit extrem untypischen Zusatzstoffen drucken (Diamantstaub, kubisches Bornitrid, Siliziumkarbid, ...).
Um den Puristen ein wenig unter die Arme zu greifen, möchte ich diesen Thread starten.
Vor vielen Monaten, vermutlich schon mehr als ein Jahr, fiel mir auf, dass der Durchmesser der freien Extrusion stark von der Temperatur und Geschwindigkeit abhängig sein kann. Ich kam leider bis jetzt nicht dazu, darüber zu schreiben, bzw. ordentliche Tests durchzuführen und die Daten zu erfassen.
Endlich hatte ich die Zeit, mittels einer GCode-Datei einige Versuchsreihen zu fahren, um meine Vermutung zu bestätigen oder zu widerlegen.
Düsendurchmesser für den Test: 0.6mm.
Nach weiteren Versuchen erkannte ich, dass das Sabbern bei höheren Temperaturen einfach zu stark wurde. Das beeinflusste die anschließende Extrusion, da die Schmelzkammer durch das Sabbern zu stark geleert wurde.
Bei den letzten zwei Durchläufen benutzte ich ein Stück Silikon, um die Düse geschlossen zu halten, damit diese nicht sabbern konnte. Beim Pieps wurde das Silikon entfernt und damit die Düse geöffnet, worauf der Extrusionszyklus von neuem begann. Statt dem Silikon (ein neu-modischer Topflappen) würde vermutlich ein Korken gute Dienste tun (Naturkork, bloß kein Kunststoff!).
Insgesamt habe ich 4 Durchläufe gemacht, zwei davon unter (theoretisch) identischen Bedingungen (derselbe GCode). Das Ergebnis könnte überraschen:
Es hat sich bei allen Durchläufen ein Muster ergeben - je höher die Temperatur, desto länger die extrudierte Raupe (= 'freie Extrusion').
Ein weiterer, nicht so offensichtlicher Punkt ist, dass je schneller extrudiert wird, desto kürzer wird die Raupe. Teilweise kann das mit erhöhtem Schlupf erklärt werden, aber nicht ganz.
Hier die Raupen von drei der vier Testdurchgänge, in natura: Mir ging es hier nicht um die extrudierte Länge. Es wäre viel zu schwer, diese exakt zu ermitteln. Mir ging es vielmehr um den Durchmesser der Raupe, der 'freien Extrusion'. Diese lässt sich relativ leicht ermitteln, und ist weniger Schwankungen ausgesetzt. Ich habe diesen Durchmesser für die letzten zwei Durchläufe ermittelt und festgehalten. Auch diese Werte sind nicht sehr exakt. Ich habe meine digitale Schiebelehre gar nicht verwendet, meine alte mit Nonius reichte mir. Damit ist die Auflösung auf 'nur' 0.05mm begrenzt (geschätzt gingen noch ca. 0.025mm. Das wurde zwei Mal durch ein "+" beim Maß gekennzeichnet). Dabei wurde jede Raupe zweimal gemessen. Einmal ca. 1 cm vom unteren Ende, wo eher langsam extrudiert wurde, und einmal ca. 1 cm vom oberen Ende, wo mit deutlich höherer Geschwindigkeit extrudiert wurde.
Hier kann man die Maße etwas besser sehen: Man erkennt, dass der Durchmesser beim schnellen Extrudieren bis auf zwei Ausnahmen immer größer ist (bei den zwei Ausnahmen ist der Durchmesser gleich). Ebenso wird ersichtlich, dass bei höheren Temperaturen der Durchmesser der extrudierten Raupe sinkt.
Die Bandbreite erstaunt: von 0.4mm bis zu 0.9mm für eine 0.6mm Düse. Die 0.4mm kamen bei der recht hohen Temperatur von 235° zustande, die 0.9,, bei der recht niedrigen von 160°.
Jetzt müsste ich mich fragen, was ist denn mein tatsächlicher Düsendurchmesser?
Einfach erklärt bedeutet es, dass die verketteten Polymere eher dazu neigen, kugelförmige Gebilde zu formen. Wenn diese durch die Düse gepresst werden, werden sie kurzzeitig klein gedrückt und in die Länge gequetscht. Sind sie durch die Düse, bilden sie sich teilweise wieder zur Kugelform zurück, was dazu führt, dass die sich die Länge verkürzt und der Durchmesser steigt.
Meine Versuchsreihen haben gezeigt, dass der Effekt durch höhere Temperaturen und langsameres Extrudieren verringert werden kann.
Jetzt komme ich zu dem, meiner Meinung nach wichtigen Hinweis, auf das ich in der Titelzeile hinweise. Nur diejenigen, die es bisher mit meiner Langatmigkeit ausgehalten haben, kommen in den Genuss:
Ich behaupte: Niedrigere Temperaturen, bzw. höhere Geschwindigkeiten erhöhen die Verzugsgefahr (das Warping).
Wieso? Nun, wenn jede Raupe das Bestreben hat, unmittelbar nach der Düse sich der Länge nach zusammen zu ziehen, ergibt sich eine Spannung, die einen Verzug auslösen kann. Auch wenn sich die Raupe nicht zusammenziehen kann, weil es an der darunterliegenden Lage haftet, bleibt die interne Spannung, die sich mit jeder weiteren Raupe addiert. Was man mit diesem unnützen Wissen allerdings anfangen kann, ist mir nicht klar.
mjh11
Auch ich verwende diesen Ansatz obwohl ich den Vorgang nicht mehr so akribisch befolge wie noch vor Jahren. Mir reicht als Ausgangswert völlig die Angabe des Solldurchmessers der Düse, z.B. 0.4mm. Ob diese 0.4 tatsächlich 0.4213mm entsprechen oder 0.3874 ist mir egal. Und wie ich selbst durch eigene Dummheit schon zweimal erlebt habe, muss die Raupenbreite doch nicht so sehr mit dem Düsendurchmesser verknüpft werden, wie ich lange dachte (siehe dazu diesen Beitrag).
Für jene, die sich als Puristen sehen, ist es wichtig, hier den tatsächlichen Düsendurchmesser zu verwenden - zumindest einen möglichst genau ermittelten Wert als Basis der Berechnung heranzuziehen. Allerdings ist hier der Knackpunkt, diesen Durchmesser zu ermitteln. Schließlich haben nur wenige ein Messmikroskop zur Hand, oder einen Satz Maßdorne in Hundertstel-Milimeterabstufung.
Die Not macht erfinderisch und so wird häufig der Durchmesser einer freien Extrusion verwendet und mit dem tatsächlichen Düsendurchmesser gleichgesetzt. Dann werden Werte wie zum Beispiel 0.42 als tatsächlicher Düsendurchmesser zitiert.
Jene Puristen, die solche 'genauen Werte' im hundertstel-Millimeter Bereich verwenden, müssten eigentlich nach jedem
längeren Druck den Durchmesser erneut ermitteln da die Düsen verschleißen, außer es werden Stahl-, Nirosta-, beschichtete oder sonstige Spezialdüsen verwendet, die gegen Abnützung gefeit sind.
Viele der Filamente verwenden Zusatzstoffe, meist Pigmente, die einen Verschleiß der Düse verursachen. Ein häufiges Pigment, Titanoxyd, wird oft für die Farbe Weiß verwendet und ist nebenbei ein einfaches Schleifmittel. Carbon-hältige Filamente sind hier ebenso sehr aggressiv. Auch die exotischen Filamente, die im Dunkeln leuchten, verwenden Pigmente, die Düsen stark abnützen. Bei allen Filamenten wird sich eine gewöhnliche Düse aus Messing abnützen und der Bohrungsdurchmesser wird zunehmen, bei manchen Filamenten stärker, bei anderen weniger.
Spezialdüsen aus Nirosta, usw., werden sich ebenfalls abnützen, allerdings nicht in dem Maß. Nur die noch zurzeit seltener verwendeten Düsen mit Saphir- bzw. Rubin-Einsatz (AL2O3), sind so ziemlich gegen jede Abnützung gefeit, außer, man würde Filamente mit extrem untypischen Zusatzstoffen drucken (Diamantstaub, kubisches Bornitrid, Siliziumkarbid, ...).
Um den Puristen ein wenig unter die Arme zu greifen, möchte ich diesen Thread starten.
Vor vielen Monaten, vermutlich schon mehr als ein Jahr, fiel mir auf, dass der Durchmesser der freien Extrusion stark von der Temperatur und Geschwindigkeit abhängig sein kann. Ich kam leider bis jetzt nicht dazu, darüber zu schreiben, bzw. ordentliche Tests durchzuführen und die Daten zu erfassen.
Endlich hatte ich die Zeit, mittels einer GCode-Datei einige Versuchsreihen zu fahren, um meine Vermutung zu bestätigen oder zu widerlegen.
Düsendurchmesser für den Test: 0.6mm.
GCode Hintergrund
Nach den ersten Versuchen musste ich den Code ein wenig 'tunen'. Bei den niedrigen Temperaturen musste ich mit der Fördergeschwindigkeit stark nach unten gehen, da sonst das Filament gefräst wurde.Nach weiteren Versuchen erkannte ich, dass das Sabbern bei höheren Temperaturen einfach zu stark wurde. Das beeinflusste die anschließende Extrusion, da die Schmelzkammer durch das Sabbern zu stark geleert wurde.
Bei den letzten zwei Durchläufen benutzte ich ein Stück Silikon, um die Düse geschlossen zu halten, damit diese nicht sabbern konnte. Beim Pieps wurde das Silikon entfernt und damit die Düse geöffnet, worauf der Extrusionszyklus von neuem begann. Statt dem Silikon (ein neu-modischer Topflappen) würde vermutlich ein Korken gute Dienste tun (Naturkork, bloß kein Kunststoff!).
Insgesamt habe ich 4 Durchläufe gemacht, zwei davon unter (theoretisch) identischen Bedingungen (derselbe GCode). Das Ergebnis könnte überraschen:
Es hat sich bei allen Durchläufen ein Muster ergeben - je höher die Temperatur, desto länger die extrudierte Raupe (= 'freie Extrusion').
Ein weiterer, nicht so offensichtlicher Punkt ist, dass je schneller extrudiert wird, desto kürzer wird die Raupe. Teilweise kann das mit erhöhtem Schlupf erklärt werden, aber nicht ganz.
Hier die Raupen von drei der vier Testdurchgänge, in natura: Mir ging es hier nicht um die extrudierte Länge. Es wäre viel zu schwer, diese exakt zu ermitteln. Mir ging es vielmehr um den Durchmesser der Raupe, der 'freien Extrusion'. Diese lässt sich relativ leicht ermitteln, und ist weniger Schwankungen ausgesetzt. Ich habe diesen Durchmesser für die letzten zwei Durchläufe ermittelt und festgehalten. Auch diese Werte sind nicht sehr exakt. Ich habe meine digitale Schiebelehre gar nicht verwendet, meine alte mit Nonius reichte mir. Damit ist die Auflösung auf 'nur' 0.05mm begrenzt (geschätzt gingen noch ca. 0.025mm. Das wurde zwei Mal durch ein "+" beim Maß gekennzeichnet). Dabei wurde jede Raupe zweimal gemessen. Einmal ca. 1 cm vom unteren Ende, wo eher langsam extrudiert wurde, und einmal ca. 1 cm vom oberen Ende, wo mit deutlich höherer Geschwindigkeit extrudiert wurde.
Hier kann man die Maße etwas besser sehen: Man erkennt, dass der Durchmesser beim schnellen Extrudieren bis auf zwei Ausnahmen immer größer ist (bei den zwei Ausnahmen ist der Durchmesser gleich). Ebenso wird ersichtlich, dass bei höheren Temperaturen der Durchmesser der extrudierten Raupe sinkt.
Die Bandbreite erstaunt: von 0.4mm bis zu 0.9mm für eine 0.6mm Düse. Die 0.4mm kamen bei der recht hohen Temperatur von 235° zustande, die 0.9,, bei der recht niedrigen von 160°.
Jetzt müsste ich mich fragen, was ist denn mein tatsächlicher Düsendurchmesser?
Hinweis - Masze mit Fragezeichen
Der Effekt, der zu diesem Verhalten führt, ist bekannt. Ich kenne nur den englischen Begriff: "die swell". Für die besonders fleißigen mit ausreichenden Englischkenntnissen, hier ein paar Links: 1 und 2.Einfach erklärt bedeutet es, dass die verketteten Polymere eher dazu neigen, kugelförmige Gebilde zu formen. Wenn diese durch die Düse gepresst werden, werden sie kurzzeitig klein gedrückt und in die Länge gequetscht. Sind sie durch die Düse, bilden sie sich teilweise wieder zur Kugelform zurück, was dazu führt, dass die sich die Länge verkürzt und der Durchmesser steigt.
Meine Versuchsreihen haben gezeigt, dass der Effekt durch höhere Temperaturen und langsameres Extrudieren verringert werden kann.
Jetzt komme ich zu dem, meiner Meinung nach wichtigen Hinweis, auf das ich in der Titelzeile hinweise. Nur diejenigen, die es bisher mit meiner Langatmigkeit ausgehalten haben, kommen in den Genuss:
Ich behaupte: Niedrigere Temperaturen, bzw. höhere Geschwindigkeiten erhöhen die Verzugsgefahr (das Warping).
Wieso? Nun, wenn jede Raupe das Bestreben hat, unmittelbar nach der Düse sich der Länge nach zusammen zu ziehen, ergibt sich eine Spannung, die einen Verzug auslösen kann. Auch wenn sich die Raupe nicht zusammenziehen kann, weil es an der darunterliegenden Lage haftet, bleibt die interne Spannung, die sich mit jeder weiteren Raupe addiert. Was man mit diesem unnützen Wissen allerdings anfangen kann, ist mir nicht klar.
mjh11