Oozing-Strategien und Dualdruck
Verfasst: Do 27. Jul 2017, 23:27
Hi,
wohl jeder hat das Problem schon das eine oder andere mal gehabt und entweder resgniert und einfach nachbearbeitet, sofern möglich, oder ist verzweifelt: Das Thema Oozing.
Das verfolgt einen beim FDM-Druck beim Single-Extruder und noch viel heftiger beim Dualdruck.
Wohl jeder träumt davon, daß man einfach Support oder 2.te Farbe setzt und fertig ist ein Top Modell oder der perfekte Support.
Die Überraschung/Ernüchterung ist dann relativ groß, wenn man das Modell dann druckt.
Fäden und hässliche Knubbel oder Farbineinderlaufen wo man hinschaut... Die Lösung: Der Retract muß her. Doch was ist das?
ab einem gewissen Punkt bringt es keine Besserung mehr und nach einer Weile stellt der Extruder den Druck ein, während der
Extrudermotor seltsame "Klock"-Geräusche von sich gibt. Was ist passiert und warum stellt es das Problem nicht ab?
Grundsätzlich muß der Retract so knapp wie möglich gehalten werden, damit kein heißes Material in die Coolzone gezogen
wird. Dort würde es abkühlen und unweigerlich diesen versiegeln (verkleben). Damit kann der Extruder kein frisches Material
mehr durch den Extruder zur Schmelzkammer fördern - versucht es aber trotzdem - es "Klockt" und das Ritzel "frißt" sich ins
Material, bis gar nichts mehr geht.
Um das Problem effektiv bekämpfen zu können, muß man den optimalen Retract ermitteln und die optimale Retract-Geschwindigkeit.
Letztere sollte so hoch wie möglich sein, aber nicht so hoch, daß sich das Ritzel in das Material rein schafft. Da das angewärmte Material
in der Übergangszone eine Art Pfropfen bildet, entsteht ein kleines Vakuum beim Retract, da der Druckausgleich nach oben zu gering ist
und somit nur von unten passieren kann - Das flüssige Material wird zurück gezogen.
Damit hat man eine gute Basis, aber keine Lösung des Problems. Das Problem ist, der Retract setzt ein, wenn aufgehört wird zu drucken.
Damit ist aber immer noch flüssiges Material unter Druck in der Schmelzkammer mit einem Loch im Boden...
Der Ansatz zum abstellen muß also schon lange vor dem eigentlichen Retract passieren: Druck und Material müssen abgebaut werden, bevor
es zum Retract kommt.
Bei Simplify3D nennt sich das Coasting Distance. Damit sage ich dem Slicer, höre X,xx mm vor dem Retract auf, Material nachzufördern.
Somit druckt er mit dem Restdruck und der Restmenge bis zum Retract. Damit wird es schlagartig besser, aber es taucht ein neues
Problem auf: Löcher und "verhungerte" Raupen nach dem Retract, wenn wieder weiter gedruckt wird. Was ist nun schon wieder los...?!?
Nun, wir haben die Kammer leer gedruckt und Y,yy mm zurück gezogen (Retract). Der Slicer macht den Retract wieder rückgängig (mehr oder
weniger..., aber dazu gleich mehr), in dem er die Strecke Y,yy mm wieder zurück "Pumpt", bevor er startet. Aber die Kammer war ja leer und
wir brauchen Material..! Die Lösung dafür heißt Extra Distance Z,zz mm. Damit veranlasse ich den Slicer, zusätzlich zu der Retract-Distance Y,yy mm noch Z,zz mm zu fördern. Nun wird es Tricky: Extra Distance ist abhängig von Coasting Distance (je länger, desto mehr muß wieder gefördert werden...), aber wer z.b. 1,00 mm leer gefahren ist und nun 1,00 mm wieder "reinpumpt" erlebt einen großen "Blopp". Was ist passiert? Warum
macht er das nun schon wieder? Es hängt doch miteinander zusammen...!? Nun, Kunstoff reagiert extrem auf Wärme. Es ändert sein Volumen.
Unter Wärme dehnt es sich aus. Unter kälte zieht es sich zusammen - daß eine mehr, das andere weniger, aber tendenziell reagieren alle
Materialien so. Wenn ich den Retract auslöse, war das Material erwärmt. Folglich hat es ein anderes Volumen, wie am Ende, wenn es wieder
gefördert wird - da hat es sich deutlich abgekühlt! Also ist die Extra-Menge fast zwangsläufig deutlich weniger, als bei der Leerfahrt!
Dummerweise sind die Werte nicht in Stein gemeiselt wenn einmal ermittelt. Sie sind von Material, Düsen (Beschichtung o.ä), Modell (länge der Inaktivität usw.)
abhängig und müssen immer angepaßt werden. Aber einmal einen Grundwert für Material und Temperaturbereich ermittelt, hat man eine
Basis, bei der meist nur kleine und kleinste Optimierungen machen muß.
Bei meinem neuen Drucker (Ultimaker 3) z.b. bin ich gerade bei 80 mm/s retractspeed und Coasting distance 1,00 mm sowie Extra Distance 0,2 mm(aha! deutlich kleiner - 20 % des leerweges!!!).
Bei Dual kommt dann aber noch eine dumme Sache hinzu: An den Düsenwänden haftet auch immer noch verbliebenes Material - und das wird irgendwann an der heißen Düse runter laufen und tropfen... Dafür gibt es aber auch eine Lösung: Toolchange!
Dort habe ich eine kleine Routine stehen. im Prinzip ist Sie nahezu, was Simplify vorschlägt - bis auf eine Winzigkeit: Der 2.te Wert wird nicht
über M104, wie Simplify es Default setzt, sondern über M109 gesetzt. Damit passiert folgendes: Der zu deaktivierende Extruder wird auf die Temperatur X abgesenkt. Dann wird gleich der zu aktivierende Extruder auf Temperatur gebracht, aber da mit M109 wartet nun der Controller, bis auch tatsächlich die Temperatur am Extruder anliegt, bevor er freigibt zur Weiterbearbeitung - das ist der große Unterschied zu M104. Der Druck dauert dadurch länger, aber er druckt nicht "kalt" los, was zu Unterextrusion, da noch viel zu fest führt - ganz zu schweigen von der "Layerhaftung" mit zu kalter Düse...
Zu guter letzt setze ich noch ein G4, um ihn in eine kurze Pause zu zwingen, damit das Material nicht nur punktuell, sondern wirklich durchgeheizt auf Temperatur ist.
Damit funzt es dann recht gut. Ich kopier es mal aus dem "Schwesterforum", wie das beim Ultimaker3 dann aussieht. Die Werte also nicht 1:1 verwenden (schon der Retract würde den Extruder vermutlich "killen"... ), sondern nur als Denkanstoß verwenden...!
Gruß, Christian
Erklärt langsam, warum Dual etwas Tricky ist und keineswegs einfach nur "2 Düsen" zum drucken...
Gruß, Christian
wohl jeder hat das Problem schon das eine oder andere mal gehabt und entweder resgniert und einfach nachbearbeitet, sofern möglich, oder ist verzweifelt: Das Thema Oozing.
Das verfolgt einen beim FDM-Druck beim Single-Extruder und noch viel heftiger beim Dualdruck.
Wohl jeder träumt davon, daß man einfach Support oder 2.te Farbe setzt und fertig ist ein Top Modell oder der perfekte Support.
Die Überraschung/Ernüchterung ist dann relativ groß, wenn man das Modell dann druckt.
Fäden und hässliche Knubbel oder Farbineinderlaufen wo man hinschaut... Die Lösung: Der Retract muß her. Doch was ist das?
ab einem gewissen Punkt bringt es keine Besserung mehr und nach einer Weile stellt der Extruder den Druck ein, während der
Extrudermotor seltsame "Klock"-Geräusche von sich gibt. Was ist passiert und warum stellt es das Problem nicht ab?
Grundsätzlich muß der Retract so knapp wie möglich gehalten werden, damit kein heißes Material in die Coolzone gezogen
wird. Dort würde es abkühlen und unweigerlich diesen versiegeln (verkleben). Damit kann der Extruder kein frisches Material
mehr durch den Extruder zur Schmelzkammer fördern - versucht es aber trotzdem - es "Klockt" und das Ritzel "frißt" sich ins
Material, bis gar nichts mehr geht.
Um das Problem effektiv bekämpfen zu können, muß man den optimalen Retract ermitteln und die optimale Retract-Geschwindigkeit.
Letztere sollte so hoch wie möglich sein, aber nicht so hoch, daß sich das Ritzel in das Material rein schafft. Da das angewärmte Material
in der Übergangszone eine Art Pfropfen bildet, entsteht ein kleines Vakuum beim Retract, da der Druckausgleich nach oben zu gering ist
und somit nur von unten passieren kann - Das flüssige Material wird zurück gezogen.
Damit hat man eine gute Basis, aber keine Lösung des Problems. Das Problem ist, der Retract setzt ein, wenn aufgehört wird zu drucken.
Damit ist aber immer noch flüssiges Material unter Druck in der Schmelzkammer mit einem Loch im Boden...
Der Ansatz zum abstellen muß also schon lange vor dem eigentlichen Retract passieren: Druck und Material müssen abgebaut werden, bevor
es zum Retract kommt.
Bei Simplify3D nennt sich das Coasting Distance. Damit sage ich dem Slicer, höre X,xx mm vor dem Retract auf, Material nachzufördern.
Somit druckt er mit dem Restdruck und der Restmenge bis zum Retract. Damit wird es schlagartig besser, aber es taucht ein neues
Problem auf: Löcher und "verhungerte" Raupen nach dem Retract, wenn wieder weiter gedruckt wird. Was ist nun schon wieder los...?!?
Nun, wir haben die Kammer leer gedruckt und Y,yy mm zurück gezogen (Retract). Der Slicer macht den Retract wieder rückgängig (mehr oder
weniger..., aber dazu gleich mehr), in dem er die Strecke Y,yy mm wieder zurück "Pumpt", bevor er startet. Aber die Kammer war ja leer und
wir brauchen Material..! Die Lösung dafür heißt Extra Distance Z,zz mm. Damit veranlasse ich den Slicer, zusätzlich zu der Retract-Distance Y,yy mm noch Z,zz mm zu fördern. Nun wird es Tricky: Extra Distance ist abhängig von Coasting Distance (je länger, desto mehr muß wieder gefördert werden...), aber wer z.b. 1,00 mm leer gefahren ist und nun 1,00 mm wieder "reinpumpt" erlebt einen großen "Blopp". Was ist passiert? Warum
macht er das nun schon wieder? Es hängt doch miteinander zusammen...!? Nun, Kunstoff reagiert extrem auf Wärme. Es ändert sein Volumen.
Unter Wärme dehnt es sich aus. Unter kälte zieht es sich zusammen - daß eine mehr, das andere weniger, aber tendenziell reagieren alle
Materialien so. Wenn ich den Retract auslöse, war das Material erwärmt. Folglich hat es ein anderes Volumen, wie am Ende, wenn es wieder
gefördert wird - da hat es sich deutlich abgekühlt! Also ist die Extra-Menge fast zwangsläufig deutlich weniger, als bei der Leerfahrt!
Dummerweise sind die Werte nicht in Stein gemeiselt wenn einmal ermittelt. Sie sind von Material, Düsen (Beschichtung o.ä), Modell (länge der Inaktivität usw.)
abhängig und müssen immer angepaßt werden. Aber einmal einen Grundwert für Material und Temperaturbereich ermittelt, hat man eine
Basis, bei der meist nur kleine und kleinste Optimierungen machen muß.
Bei meinem neuen Drucker (Ultimaker 3) z.b. bin ich gerade bei 80 mm/s retractspeed und Coasting distance 1,00 mm sowie Extra Distance 0,2 mm(aha! deutlich kleiner - 20 % des leerweges!!!).
Bei Dual kommt dann aber noch eine dumme Sache hinzu: An den Düsenwänden haftet auch immer noch verbliebenes Material - und das wird irgendwann an der heißen Düse runter laufen und tropfen... Dafür gibt es aber auch eine Lösung: Toolchange!
Dort habe ich eine kleine Routine stehen. im Prinzip ist Sie nahezu, was Simplify vorschlägt - bis auf eine Winzigkeit: Der 2.te Wert wird nicht
über M104, wie Simplify es Default setzt, sondern über M109 gesetzt. Damit passiert folgendes: Der zu deaktivierende Extruder wird auf die Temperatur X abgesenkt. Dann wird gleich der zu aktivierende Extruder auf Temperatur gebracht, aber da mit M109 wartet nun der Controller, bis auch tatsächlich die Temperatur am Extruder anliegt, bevor er freigibt zur Weiterbearbeitung - das ist der große Unterschied zu M104. Der Druck dauert dadurch länger, aber er druckt nicht "kalt" los, was zu Unterextrusion, da noch viel zu fest führt - ganz zu schweigen von der "Layerhaftung" mit zu kalter Düse...
Zu guter letzt setze ich noch ein G4, um ihn in eine kurze Pause zu zwingen, damit das Material nicht nur punktuell, sondern wirklich durchgeheizt auf Temperatur ist.
Damit funzt es dann recht gut. Ich kopier es mal aus dem "Schwesterforum", wie das beim Ultimaker3 dann aussieht. Die Werte also nicht 1:1 verwenden (schon der Retract würde den Extruder vermutlich "killen"... ), sondern nur als Denkanstoß verwenden...!
Gruß, Christian
Erklärt langsam, warum Dual etwas Tricky ist und keineswegs einfach nur "2 Düsen" zum drucken...
Gruß, Christian