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Re: Zugkraft der Riemen
Verfasst: Fr 27. Nov 2015, 00:50
von Mic
Hallo Rau!
Danke für die Blumen.
Deine Idee ist sehr pfiffig, aber leider klappt das aus physikalischen Gründen nicht so ohne Weiteres über den Motor. Die Schwingung des Riementrums bei Auslenkung senkrecht zur Spannrichtung (Saitenschwingung) ist eine völlig andere als die Längsschwingung im Riemen, die man mit dem Motor anregen kann. Letztere liegt deutlich höher und ist zudem noch von anderen Größen abhängig, nämlich von den Massenträgheiten vom Motor und der anzutreibenden Last. Erst wenn man diese in die Berechnung mit einbezieht, kommt man zunächst auf die Federkonstante des Riemens und dann erst über noch auszumessende Kennlinien eventuell auf die Riemenspannung selbst. Die Umsetzung deines Vorschlags ist also im Prinzip nicht unmöglich, wird aber von den Algorithmen her ziemlich aufwändig. In der industriellen Antriebstechnik, mit der ich beruflich zu tun habe, verfügen die Antriebssysteme über wesentlich bessere Messmöglichkeiten und deutlich mehr Rechenleistung, schaffen solche Analysen aber trotzdem (noch) nicht.
Und was täte der Drucker mit der Info dann? Wenn es nicht nur um eine reine Anzeige geht, müsste er ja die Beschleunigung runternehmen, wenn der Riemen locker wird; das wiederum würde erfordern, den Slicer und die Erzeugung des G-Codes im Drucker zu machen, und das Ganze im schlimmsten Fall sogar noch während des laufenden Drucks. Da sehe ich auch gewisse Schwierigkeiten.
Ich wollte eigentlich nur die Überlegungen ausreichend skizzieren, damit Interessierte eine korrekte Einstellung der Riemen vornehmen können. Das muss nicht aufs Hundertstel passen, es sollen ja erst mal die Motoren geschützt werden. Bei den Anforderungen im home-Bereich werden die Riemen auch nicht extrem beansprucht und sollten nur eine geringe Alterungslängung zeigen; wir fahren die Drucker ja (hoffentlich) nicht 24/7 im Dauerbetrieb. Will sagen, einmal richtig eingestellt, hast du vermutlich etliche Jahre lang Ruhe.
Ich mache mir wesentlich mehr Sorgen über die verwendeten Kabel in den Schleppketten! So wie ich das einschätze, sind die nicht hochflexibel. Bei den vielen Bewegungen schon bei kleinvolumigen Druckaufträgen erwarte ich in der nächsten Zeit diverse Kabeladerbrüche, speziell bei der x- und y-Achse.
Bonne nuit!
Gruß
Mic
Re: Zugkraft der Riemen
Verfasst: Fr 27. Nov 2015, 07:28
von hal4822
In Beitrag #28 habe ich leider eine Fehlinformation geliefert: Für Zahnriemen gilt das nicht !
Trotzdem : wie wäre es mit einer Anfrage bei der Riemenfirma bezüglich Belastbarkeit der Welle?
Wer so oft mit Ausrufezeichen (siehe Screenshot vom Riemenspannungsrechner) darauf hinweist, dass die Riemenspannung sich nach der zulässigen Wellenbelastung richten muss, der sollte doch auch so nett sein zu sagen, wie oder woher man diese erfährt.
Ach - pardon - jetzt habe ich das Ende des Screenshots abgeschnitten wo der Name der Firma steht. Naja, kann sich ja jeder selbst anschauen - der Link zum Rechner war wohl in Beitrag #13 - oder #28
Re: Drehmoment der Riemen
Verfasst: Fr 27. Nov 2015, 17:32
von RAU
Die Idee, den Riemen mit dem Motor anzuregen, würde ich nicht so schnell aufgeben. Natürlich hast du vollkommen recht, dass der Motor in erste Linier Längstkräfte auf den Riemen bringt, aber ich glaube trotzdem, dass ein sich schnell hin und herruckelndes Ritzel auch die Querrichtung anregen würde. Allein als parasitärer Nebeneffekt aufgrund der nicht idealen Verältnisse, z.B. durch das Krümmen des Riemens am Ritzel.
Das ganze ist nun so gemeint, dass der Motor nur deinen Lautsprecher am Funktionsgenerator ersetzt. Ablesen und spannen muss schon der Mensch. Ich hatte geschrieben, dass man die Frequenz variiert. Noch einfacher ist es aber, nur die Zielfrequenz laufen zu lassen und dabei den Riemen zu spannen.
D.h. will man auf die genannten 13Hz spannen, lässt man den Motor mit 13Hz wackeln und verstellt den Riemen auf höchste Resonanz.
Die Längstschwingung wird bei 13Hz natürlich überhaupt keine Rolle spielen, ich vermute die liegt eher im hohen kHz Bereich - rein nach Gefühl. Ob die Saitenschwingung trotz der falschen Bewegungsrichtung weit genug angeregt wird, müsste man eben ausprobieren.
Re: Drehmoment der Riemen
Verfasst: Fr 27. Nov 2015, 20:27
von Mic
Hi Rau!
Na denn viel Erfolg bei deinen Versuchen.
Querkräfte auf den Riemen kannst du nur erzeugen, wenn das Leertrum wirklich ganz lose wird und seitlich ausbiegen kann. Dafür muss das Zugtrum aber dermaßen gespannt werden, dass wir damit weit außerhalb der zulässigen Belastung der Motorwelle liegen. Das wirst du mit dem Motörchen erstens wohl nicht schaffen und zweitens war das ja eigentlich genau nicht das Ziel der Übung.
Bleibt man dagegen innerhalb der Elastizität des Riemens, dann überträgt der Motor leider nur Längskräfte im Riemen.
Du hast Recht, dass die Dehnungsfrequenz deutlich höher liegen muss. Aber die Saitenfrequenz und die Dehnungsfrequenz im Riemen liegen keine zwei Größenordnungen auseinander, also vermutet und gefühlt dürfte Letztere maximal im Bereich zwischen 200Hz und 300Hz anzusiedeln sein. Es muss ja nicht nur der Riemen selbst schwingen (der läge alleine sicher im Kilohertzbereich, wenn er nicht ungespannt so stark gedämpft wäre), sondern auch der Rotor des Steppers und die am Riemen hängende anzutreibende Masse gehen da mit ein.
Die m. E. einfachste Methode einer sauberen Riemenzugeinstellung ist die Lösung mit der Feder (ohne mich selbst loben zu wollen). Die ist extrem simpel, einfach auszumessen und vor allen Dingen selbst nachstellend und somit sehr zuverlässig. Druckfedern und M4-Schrauben bzw. Gewindestangen gibt's auch im letzten Baumarkt vor der Autobahn und so ein Bügel ist schnell aus Alu- oder Stahlblech gebogen und zurecht gefeilt; aber man kann den selbstverständlich auch 3D-drucken.
Gruß
Mic
Re: Drehmoment der Riemen
Verfasst: Fr 27. Nov 2015, 21:45
von RAU
Nichts gegen die Federn-Lösung, Mic, die habe ich schon ganz am Anfang gelobt. Damit hält man die Riemenspannung konstant. Aber wieso helfen die Federn, die richtige Spannung zu finden? Man muss doch erst mal wissen, wo man landen will, mit oder ohne Federn, oder?
Was das Motor-VIbrieren angeht um den Riemen in Resonanz zu bringen, mag sein, dass das nicht funktioniert. Für mich ist es schwer vorstellbar, dass die Mechanik so perfekt arbeitet, dass keine Seitenschwingung auftritt. Aber du hast da offensichtlich mehr Erfahrung. Vielleicht schaffe ich es mal das trotzdem auszuprobieren. Das ist ein Nebenschauplatz, wichtiger ist es wie gesagt die Sollwerte zu wissen. Dazu hast du ja schon viel geschrieben.
Re: Drehmoment der Riemen
Verfasst: Sa 28. Nov 2015, 10:13
von rf1k_mjh11
RAU,
Ich dachte erst auch, deine Idee wäre gefinkelt. Ist es immer noch. Aber, nach einigem Nachdenken denke ich ebenfalls, es wäre zum Scheitern verurteilt.
Hier meine erdachte Erklärung dazu:
Stelle dir eine Gitarre (Violine oder irgendein Saiteninstrument) vor. Man nimmt eine Saite, von der man die Frequenz weiß, zum Beispiel die zweite von Oben, die Note "A", mit der Frequenz von exakt 110Hz. Du versuchst diese Saite in Schwingungen zu versetzen indem du die Saitenspannung änderst, und zwar im Idealfall 110 mal in die Sekunde. Wie soll die Saite mit 110Hz in Resonanz kommen und seitlich ausschlagen, wenn die (Stimm-)Spannung der Saite dauernd (und zwar radikal!) verändert wird? Durch die Änderung der Stimmspannung der Saite ändert sich ja dauernd die Eigenfrequenz!
Ich sage bewusst "radikal", da, den vorherigen Beiträgen nach, die Spannung des Zahnriementeils unter Zug (als Folge der max. Massenbeschleunigungskräfte) theoretisch die doppelte "Normalspannung" hat, und andererseits das Teil im entlasteten Zustand praktisch Null Spannung hat.
Ich hoffe ich habe da keinen verkehrten Geistesblitz produziert,
mjh11
Re: Drehmoment der Riemen
Verfasst: Sa 28. Nov 2015, 11:42
von RAU
Überlege mal wie weit du den Saitenspanner an der Gitarre drehen muss, um von 0 bis 220Hz (doppelte Spannung) durchzustimmen. OK, der Vergleich hinkt da die Dynamik fehlt, aber auch im Drucker muss man ja nicht zwangsläufig bei jeder Bewegung and die Beschleunigungsgrenze kommen, man darf auch langsamer. Und wenn man am Riemen zupft um die Schwingfrequenz zu sehen, ändert man ja auch die Spannung, sonst kann nichts schwingen. Du siehst, noch kann ich gegenhalten
Wie gesagt, man muss es ausprobieren. Tatsache ist, dass sich der Riemen über dem Ritzel und an der Umlenkrolle seitlich bewegen muss, wie weit sich das auf eine Seitenschwingung überträgt kann wohl niemand vorausberechnen. Gut möglich, dass dies einfach zu gering ist. Du hast insofern recht, die Anregung wird sicher nicht über die Spannungsänderung hervorgerufen. Es ist mehr ein Rappeln in der gesamten Mechanik, das mir vorschwebt.
(Im Moment drucke ich lieber was anderes, ein Ausgleichbehälter für die Wasserkühlung entsteht.)
Re: Drehmoment der Riemen
Verfasst: Do 31. Dez 2015, 00:45
von Mic
Ergänzend zu der Diskussion vom 27.11. zur Einstellung des korrekten Riemenzugs über die Federn (ich war einige Wochen im Ausland):
Wenn man die Druck-Federn mit einer definierten Masse (sagen wir 1kg oder etwa 10N) zusammendrückt und die dabei auftretende Längenänderung ausmisst, dann hat man die Federkonstante in N/m. Um nun eine bestimmte Spannungskraft in N im Riemen zu erreichen, muss die Feder also die doppelte Kraft aufbringen (es sind ja zwei Riemenstücke). Sprich, man muss die Feder nur um einen bestimmten Weg zusammendrücken. Alle guten Lösungen sind einfach.
Gruß
Mic