Nachtrag zum Thema ABS
- ABS ist ein toller Werkstoff. Er kann für das gebotene preislich sehr billig sein. Aber ohne Abluftsystem ist ABS in meinen Augen nicht vertretbar.
Drucker:
RF2000, ich verwende die Einhausung, habe keinerlei Lüfter im Bauraum, bis auf den großen absaugenden 120mm Fan, das z-Offset ist perfekt justiert, Keramikplatte/Ceran sauber, keine Haftmittel, Reinigung der Keramikplatte mit Ceraclen (Danke Darrol!), Ritzelprobleme sind alle gelöst, Hotend V2.
Da ich nun mit ABS etwas Erfahrung gesammelt habe, will ich ein paar Gedanken notieren. Anfangs konnte ich die Infos von AtlonXP gar nicht richtig aufnehmen.
Hier der Nebenthread zu diesem hier: http://www.rf1000.de/viewtopic.php?f=62&t=1617
Strategie:
Ich will Teile, die man mechanisch stark beanspruchen kann, und musste einiges beachten.
AtlonXP hat mich dazu ermutigt, von der Maximaltemperatur abwärts zu testen. Nicht temperatursparend von der Schmelztemperatur aufwärts.
Verwendete Testmaterialien, und die verhalten sich unterschiedlich!!
Darin liegt die erste Aussage:
nunus ABS schwarz @~247°C, darüber Zersetzung
velleman ABS schwarz @~263°C, Betttemperatur sehr hoch, darunter kaum Erfolg bei Haftung
esun ABS natural @~246°C gutes Bridging @~263/260°C gute Stabilität.
Ohne Label hätte ich auf drei völlig unterschiedliche Materialien getippt
.
Max-Temp:
Ich habe also in diversen Temperaturen etwa 0.35mm hohe und 2mm breite Startmaden gezogen und beobachtet ab welcher Temperatur sich was ändert. Erst hatte ich auf heftige Blasenbildung gewartet. War aber nicht so. Ebenso wie mehr Temperatur scheint längeres Verweilen im Hotend Blasen zu fördern, ebenso wie alte Filamentreste im Hotend. Meine ABS haben immer geraucht und gedampft. Riechen war für mich keine Option. Eine volle Nase und ich hatte ein unangenehmes minziges Gefühl in der Lunge. Nicht wieder.
Man merkt aber nach einigen Versuchen einen schmalen Temperaturbereich, wo sich gefühlt einiges an der Made ändert. Mehr Blasen, anderer Glanz, andere Madenform.
Erstes Problem:
Das Bauteil hat nicht gehalten.
Die Betttemperatur musste bei einem Filament in Richtung 125 bis 130 °C justiert werden, beim anderen Filament nur auf etwa 110°C. Das muss man testen. Man will eine schöne planliegende Raupe, welche teigig auf dem Bett verweilt und sich an Ecken nicht aufrollt.
Zweites Problem
Das Bauteil war unten richtig hässlich und nach ca. 2cm Höhe wunderschön.
Die Betttemperatur nach der ersten Lage war zu hoch. Ich habe angefangen, die Ablösetemperatur herauszufinden: Teil drucken, dran rumwackeln während die Betttemperatur sinkt und auf den "Knack" warten, bis man es in der Hand hatte +2..+4°C. Diese Temperatur war bei allen 3 ABS-Filamenten, die ich bisher gedruckt hatte immer zwischen 79°C und 85°C laut Druckerdisplay des RF2000. Das war auch fast die Erweichungstemperatur an der das ABS von Gummibärchen-knetartig zu hart überging. Auch bei 90°C kann das Ergebnis gut sein!
Also zukünftig nach der ersten Lage möglichst flott Heizbetttemperatur runter. (Ich habe auch mit Pause experimentiert)
Aber beachten: Hierbei steht Bauteilgröße, -Art, Drucktemperatur und Heizbettemperatur UND Umgebungstemperatur im Zusammenspiel. (? Offensichtlich, aber ein Superrezept kenne ich nicht.)
Drittes Problem
Kleine Teile bleiben zu knetartig, die Betttemperatur war aber schon minimal. Der Druck sah aus als würde die Nozzle auf Gummibärchen-konsistenz die nächsten Layer aufbauen. Lösung:
Mehr Teile parallel drucken, das gleicht Problem 2, nur dass zu viel Wärme vom Extruder und vom neuen Material kommt.
- also Layertime etwas erhöhen.
Die mechanische Stabilität.
Hierzu ein Video mit einem Test:
https://www.youtube.com/watch?v=zBJk3URhXAo
Dem kann ich aber nur bedingt zustimmen.
1) Ich hatte mehrere Tests gemacht, bei denen ich mit der Temperatur etwas runter bin, sodass Überhänge und Bridges schöner werden. Die Stabilität war grausam schlecht. Und weit bin ich nicht runtergegangen. Filamentlabel: 220-260°C und ich ging von 260 auf 245 runter.
2) Nachdem hier im Forum jemand seinen Bauteillüfter langsam mitlaufen lies und super Ergebnisse bekam, habe ich das auch getestet.
Die Layer-Adhesion war so miserabel, dass das Teil fast selbst geplatzt ist
Im Video wird das umgekehrt verkündet.
Allerdings waren die Details und das Druckbild genial präzise.
Für Darstellungsobjekte super. Oder evtl. wenn man es anschließend bedampfen will.
Der Unterschied (nur mit esun natural getestet) war wie PLA zu ABS. Ohne Lüfter hatte ich ein zähes Gebilde, welches gegen Zerstörung so störrisch war wie eine Telefonkarte, die man zu brechen versucht. Mit Lüfter und oder etwas weniger Temperatur wie knallhart verspanntes PLA, welches knackt, wenn die Lagen brechen.
Was eigentlich jeder über ABS sagt, ist dass es komplizierter ist und eine Einhausung ziemlich ratsam ist.
Ich muss AtlonXPs Ausführungen immer wieder lesen, um weitere Details zu entdecken.
Mein Fazit:
1) Das Teil soll während dem Drucken knetartig bleiben - bis fast fest. (Ich glaube das ist der Knackpunkt beim Thema stabile ABS-Teile)
2) Dieser Knetmassenzustand scheint enorm Stabilität zu geben.
3) ABS ist kein Standard sondern kann unterschiedlichste Eigenschaften haben.
4) Lüfter eher aus. Bringt enorme Detailtreue, vernichtet aber quasi jede Zwischenlagenstabilität.
5) [Spekulation: Evtl. bringts was, wenn man einen heated chamber hat und die Layertime groß ist.]
6) Die Betttemperatur muss so sein, dass das Teil hält, aber in meinen Augen dafür minimal.
7) Diese Erkenntnisse sind nach Punkt 3 bestimmt nicht für jedes ABS komplett gültig.
Was ich nun tatsächlich generell gesprochen weiß, ist, dass man sich sehr viel genauer an Abkühlraten und Temperaturbereiche halten sollte, als bei z.B. PLA. Dass eine perfekte Betthaftung im Zusammenspiel mit der perfekten Bauteilwärmung steht und man hoffen muss, dass das Material kein Entweder-Oder fordert. Dann muss man mit Haarspray/Prittstift/ABS-Juice(
) ran.
Im Grunde würde ich gerne die Druckgeschwindigkeit und Umgebungstemperatur nach der Bauteil-Wärme im obersten Layer ausrichten. Der Drucker müsste für perfekte Bauteilstabilität auf jedem Punkt auf dem obersten Layer überwachen, ob gerade die perfekte Temperatur herrscht um drüberzudrucken
Aber man bekommt das auch so hin! Nur kann man nach meiner Erfahrung nicht Detail-Erkenntnisse von einem kleinflächigen Bauteil auf ein großflächiges übertragen.
LG