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Ein bereits mehrfach diskutiertes Thema ist die Kugelgewindespindel mit ihren Unzulänglichkeiten, die sich als wiederkehrendes vertikales Muster entlang der Z-Achse bemerkbar macht. Es gibt bereits mehrere eigene Threads, sowie häufige Beiträge in Threads anderer Thematik. Durch die breite Streuung der Einzelbeiträge wird eine etwaige Suche erschwert. Genau so ein Betrag hat meine Aufmerksamkeit erregt. Genauer gesagt war es ein Link in einem Beitrag, der meinen Schaffensdrang entfacht hat. Zuerst einmal der Hintergrund:
Die Spindel der Kugelgewindespindel ist gerollt, eine kostengünstiges Herstellungsverfahren, der so eine Spindel für einen Normalverbraucher erst erschwinglich macht. Im verlinkten Video
in diesem Beitrag wird die Sachlage und die Fehlerursache recht gut erklärt. Das Video zeigt auch einen ersten Lösungsansatz für das Problem. Leider eine nicht sehr haltbare Lösung. In einem späteren
Beitrag, in einem anderen Thread nun eine ausgereiftere Lösung um das Eiern der Spindel zu begegnen. Es war diese Lösung, die mich dazu brachte, die Situation in CAD zu betrachten.
Vielen Dank an
EvoMotors und
MirageC für die Vorarbeit und der grundlegenden Idee der
Wobble-X Isolators.
Herausgekommen ist das:
Decoupler_Study_2ba2.22_cropped.jpg
Eine völlig entkoppelte Spindel für die RFx000-Klasse der Drucker.
Auf den ersten Blick und bei genauer Betrachtung sehr ungewöhnlich. Aber das ist der RFx000 Drucker ja auch. Der offensichtlichste Unterschied ist, dass die Entkopplungseinheit oberhalb der Y-Platte angebracht ist. In den Videos, auf die oben hingewiesen wird, befindet sich die Einheit immer auf der Unterseite.
Bei den RFx000 Druckern wird die Spindelmutter jedoch auf die Oberseite der Y-Platte montiert und hält diese von oben hoch. In den Videos ist die Mutter (zumindest der Flansch der Mutter) unter dem Bauteil, das hochgehalten wird.
Wollte man das beim RFx000 analog machen, sähe es in etwa so aus:
Decoupler_Below.jpg
Damit verschenkt man jedoch an die 30mm Höhe an Bauraum, was jedenfalls beachtlich ist (-15%). Man kann um 30mm weniger weit nach unten fahren, weil die Mutter dann unten ansteht.
Also musste das ganze Konstrukt Richtung Oberseite wandern. Das war die erste große Änderung gegenüber der Videolösung.
Die zweite große Änderung betraf die eigentlichen Entkoppelungsteile. Die Teile, von denen netterweise die CAD-Daten bereitgestellt werden, sind schlicht zu groß für den Platz, der beim RFx000 zur Verfügung steht. In der Ausrichtung, wie sie im Video zu sehen ist, kollidieren alle 3 Teile mit dem ‚Abstandshalter Hauptrahmen‘ (einem der 10mm Rundstäbe). Sieht man im folgenden Bild, wo die Pfeile hindeuten. Des Weiteren kollidieren zumindest 2 der 3 Teile mit der Seitenwand. Im Bild sieht man einen Blick von unten (der Einfachheit halber), wo man gut die Kollision mit dem Abstandshalter sieht. Die Seitenwand ist nicht dargestellt, man kann sich jedoch die Seitenwand vorstellen. Diese ist nur ca. 2mm von der oben sichtbaren Kante der Y-Platte entfernt. Hier in etwa als strichlierte Linie dargestellt:
Interference_Rod.jpg
Auch ein Drehen um 45° genügt nicht, um die Seitenwand zu vermeiden, obwohl es beim dunkleren Teil für den Abstandshalter gerade noch reichen würde:
Interference_SidePanel.jpg
Es wurde also notwendig, die Entkoppelungselemente neu zu konstruieren um diese kleiner zu machen.
In dem im Video dargestellten Teil (für eine 16mm Spindel, wie beim RFx000) werden Nadellagernadeln mit 3.1mm Durchmesser eingesetzt. Die Kugeln haben einen Durchmesser von 6mm. Dort wollte ich als erstes ansetzen, um die Gesamtgröße zu reduzieren. Ich fand Nadeln mit 2.5mm (7.8mm lang) und Kugeln mit 3/16 Zoll (=4.7625mm). Solche Kugeln werden (oder wurden?) häufig in Fahrrädern verwendet, zum Beispiel im Vorderradlager, Lenkkopflager, Hinterrad und Tretlager, oder auch in meiner Sachs Pentasport 5-Gang Nabe. Für jene, die Bedenken wegen der kleineren Größe haben, möchte ich nur sagen, dass in den meisten Vorderräder nur 9 oder 10 Kugeln, in genau der Größe, pro Seite eingebaut sind (siehe dazu dieses
Video bei 2:14, oder
dieses schon im Anfangsbild). Unter voller Belastung stehen immer nur gleichzeitig 3-4 Kugeln pro Seite (also 6-8 insgesamt), andererseits lastet bis zu 40 Kilogramm auf das Vorderrad (ohne Rücksicht auf Schläge durch Schlaglöcher, usw.), beim Bremsen sogar mehr. Wenn diese 6 Kugeln bis zu 40kg tragen können, schaffen die 4 Kugeln im Entkoppler locker das Gesamtgewicht der Y-Platte, des Heizbetts und des Druckobjekts. Wobei das Druckobjekt theoretisch fast 14kg wiegen könnte, falls einer einmal den vollen Bauraum mit 100% Füllgrad drucken möchte. Also, die Kugeln sollten meiner Meinung nach reichen, auch wenn diese kleiner sind. Fast gleich sehe ich es mit den Nadeln. Die kleineren und kürzeren Nadeln erzeugen allerdings unter Last eine höhere Flächenpressung auf die Teile, in denen die Nadeln eingepresst sind. Das könnte bei selbstgedruckten Teilen von Bedeutung sein (dazu später mehr).
Ebenso hatte ich vor, die Ausrichtung der Kugeln um 45° zu verdrehen, um mehr Platz zu schaffen. Nachdem der Entkoppler neu konstruiert werden musste, konnte ich gleich meine Idee einbringen, die 4 Kugeln in einer Ebene unter zu bringen. Im Teil aus dem Video sind nämlich die Kugeln jeweils paarweise auf eigene Ebenen untergebracht. Ich konnte in der Bauhöhe des Entkopplers dadurch auch einige Millimeter sparen, obwohl wir dort nicht extrem eingeschränkt sind.
Jedenfalls sehen die Teile so aus:
Das obere und untere Adapter-Teil (ohne Nadeln oder Kugeln):
Decoupler_Study_Bottom.2_cropped.jpg
Das Teil wäre recht einfach zu drucken. Eine kleine, schwierige Stelle ist dort, wo die Bohrungen für die Nadeln mit der Kugeltasche zusammenstoßen. Dort würde die Raupe in der Luft hängen (Hängebrücke).
Dann das Mittelstück (teilweise mit Nadeln und Kugeln):
Decoupler_Study_Middle_pins,Balls_Cropped.jpg
Das Drucken von diesem Teil geht nur ordentlich mit Support oder sonstigen Tricks. Außerdem ist das Teil auf Biegung beansprucht, in zwei Richtungen. Bei einem Drucker mit beheiztem Bauraum hätte ich ärgste Bedenken, was die Lebensdauer eines gedruckten Teils betrifft.
Auffallen sollte auch, dass in den neuen Teilen keine Magnete eingesetzt werden. Zum Teil ist das dem Platzmangel zuzuschreiben, zum anderen meiner Meinung, dass diese nicht nötig wären. Ich vertraue auf der Schwerkraft, dem Bett daran zu hindern, fort zu schweben, so wie ich darauf vertraue, dass die Barockfliese, bzw. das Ceranbett auf den 4 Bolzen liegen bleibt.
Eine der Funktionen der Magnete scheint auch zu sein, die Kugeln (in etwa) in der Mitte zu halten. Herausfallen können die Kugeln im Normalfall nicht (Normalfall heißt, Bett liegt auf), da die Kugeln physisch in einer Tasche gefangen sind. Und möchte man trotzdem die Position der Kugeln genauer bestimmen, kann man einen Käfig dazu hernehmen. Kugelkäfige werden in den meisten Kugel-, Rollen-, Kegelrollen- und Nadellager eingesetzt. Eine bewährte Technologie also. Andererseits zweifele ich an der Notwendigkeit eines Kugelkäfigs. Meiner Meinung nach werden die 4 Kugeln nach sehr kurzer Zeit ihren vorgesehenen Platz finden und werden um diesen oszillieren. Ich selbst würde Anfangs keinen Käfig einsetzen.
Die Entkopplungsteile, mitsamt Käfig, würden in etwa so aussehen (Ansicht entlang einer Nadelachse, 45° zu X, bzw. Y):
Decoupler_Study_Assy_w_Cage_cropped.jpg
Der Käfig ließe sich drucken (mit Support), fast einfacher wäre jedoch eines aus 0.5 oder 1.0mm Alu-Blech. Grob vorbiegen könnte man das Blech mit den Entkopplerteilen, die als quasi Ober- und Untergesenk dienen würden, oder einfach ein eigenes zweiteiliges Biegegesenk drucken. Ich könnte auch eine schöne Abwicklung des Blechteils anbieten, falls Interesse besteht. Da der Käfig allseitig gefangen ist, reicht es, wenn der Käfig einfach auf dem darunterliegenden Teil liegt, anstatt sich an der Kugel ‚festzuhalten‘, wie es meist gemacht wird.
Recht eng wurde es wegen der Schmiernippel der Spindelmutter. Die innen liegenden ‚Steher‘ für die obere Platte mussten weiter nach innen versetzt werden, um die Schmiernippel auszuweichen. Auch wurde der Sechskant Abstandshalter durch einen kleineren, runden ersetzt. In dieser Vorderansicht wird es besser ersichtlich:
Clearance_Zerk_fitting.jpg
Oder so, schön gerendert:
Decoupler_Study_Assy_w_Cage_Zerk_cropped.jpg
Auch so wird es dort für den Zugang zum Nippel eng werden. Man könnte den Abstandshalter noch ein oder zwei mm weiter nach innen versetzen, oder den einen Abstandshalter beim Abschmieren jeweils kurz demontieren. Für mich kein Problem, ich habe meine Spindeln bisher noch nie geschmiert, es glänzt alles noch wie neu.
Übrigens ist im ersten Bild das Bett in der obersten Position dargestellt. Dafür ist der Endschalter nicht dargestellt. Da ist aber Platz, keine Sorge.
Auf der gegenüberliegenden Seite wird es ebenfalls recht eng, besonders beim Endglied des Kabelschlepps. Hier bleiben bloß 0.5mm laut CAD Daten! Wem das zu eng ist, könnte den Halter für das Endglied des Kabelschlepps neu ausdrucken, in etwa so:
Alt_CableEnd.jpg
Mit dem linken Teil (cyan-grau) schafft man sich schon 2mm mehr Luft (also statt 0.5mm insges. 2.5mm).
Weiter geht es im nächsten Beitrag.
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