So, jetzt komme ich wieder auf das eigentliche Thema zurück.
Kommen wir wieder zur induktiven Heizung.
Die Vorteile der Induktiven Heizung, zumindest die, die bisher vorgebracht wurden, scheinen zu sein:
a) schnelleres aufheizen
b) falls eine geringere thermische Masse erreicht werden kann, auch ein schnelleres Abkühlen
c) kleinere Schmelzkammer möglich
Gerade in einem Dual-System würden alle Vorteile voll zur Geltung gelangen. Beim Materialwechsel verkürzt sich die Aufheizzeit und das Sabbern verringert sich durch die raschere Abkühlung.
Single- und Dual-Systeme sollten beide theoretisch von einer kleineren Schmelzkammer profitieren (basierend auf den aufgelisteten Punkten, ganz zu
Anfang des Threads).
Die Punkte a) und b) bringen beim Single-System relativ wenig. Schon bei einem ‚flotten‘ 2 Stunden Druck machen die zusätzlichen 120 Sekunden Aufheizzeit für das Hot End ‚das Kraut nicht fett‘. Der Vorteil einer kürzeren Aufheizzeit relativiert sich im Single-System noch mehr, wenn man die Bettheizung mit betrachtet. Bis das Bett ordentlich ‚durchgewärmt‘ ist, ist das Hot End längst einsatzbereit. Die schnellere Abkühlzeit sorgt bloß dafür, dass man den Drucker 1-2 Minuten früher ausschalten kann (vor allem wenn man ein ganz-Metall Hot End hat und die Kühlluftzuführung aus temperaturempfindlichem Material besteht).
[EDIT: ich habe heute früh gestoppt, wie lange mein Hot End braucht, um auf 200 zu kommen. Ergebnis: 80 Sekunden.
Das ist deutlich schneller als mein Auto, das mit Ach und Krach 145 schafft (ohne Gegenwind) . Somit erspart sich georg-AW, mit
seinem Hot End, mir gegenüber 62 Sekunden.]
Damit kommen wir zur kleineren Schmelzkammer.
Auch diese hat ihre Grenzen. Wird diese sehr klein, schafft es die Heizung (egal welche) irgendwann nicht mehr, das Material rechtzeitig auf Soll-Temperatur zu bringen, ohne das Material zu überhitzen.
Beispiel gefällig?
Natürlich muss ich hier etwas ins Extreme gehen, in allen Bereichen.
Annahmen:
Beheizt wird nur die Düse (für 1.75mm Material). Damit soll das Volumen der Schmelzkammer gleich dem des Innenlebens der Düse sein.
Als Beispiel nehme ich hier die Düse meines Picos, die ist ungefähr so wie die vom E3D6. Hier eine Zeichnung des Herstellers:
Pico_Nozzle_DWG.jpg
Hier ein Schnittbild, von mir gezeichnet:
PicoNozlSection.jpg
Das Innenleben musste ich schätzen, aber da wird nicht viel schiefgegangen sein. Der Bohrungsdurchmesser, mit 2mm, entspricht der Bohrung im Hot End selbst. Die Länge der Bohrung und die genaue Form der Konus-förmigen Verjüngung könnten minimal abweichen. Das macht insgesamt, vom Volumen her gesehen, keine 3% aus.
Das Volumen kommt somit auf beinahe exakte 50mm³.
Das ist das Volumen unserer Schmelzkammer, eines der bestimmenden Faktoren.
Der nächste bestimmende Faktor ist der Materialbedarf pro Zeiteinheit.
Als weitere Annahme soll der Düsendurchmesser 0.8mm betragen, ebenso die Raupenbreite. Da wir flott drucken wollen, kommt eine Layerhöhe von 0.5mm in Betracht. Damit werden pro Millimeter Raupenlänge 0.4mm³ Material benötigt. Drucke ich mit 60mm/Sekunde Geschwindigkeit, werden pro Sekunde 24mm³ Material ‚verdruckt‘.
Also 24mm³ pro Sekunde ist der Materialbedarf, der gedeckt werden will.
Diese 24mm³ entsprechen praktisch dem halben Volumen der Schmelzkammer. Folglich müsste die Heizung in nur zwei Sekunden das Material in der Schmelzkammer aufheizen. Ich gehe hier von einer ‚konventionellen‘ Situation aus, das heißt, nur eine Heizung und damit nur
ein beheizter Bereich. Somit muss das Material von Zimmertemperatur in nur 2 Sekunden auf Verarbeitungstemperatur gebracht werden. Geht das überhaupt? Dazu müsste die Heizung, wegen der schlechten Wärmeleitung des Kunststoffs, das Material deutlich höher erwärmen als es benötigt wird, nur damit im Inneren des Filaments die Temperatur annähernd erreicht wird.
Klar, die Annahmen werden für viele grenzwertig erscheinen. Eine 0.8mm habe ich nicht.
Aber um die Sache in Relation zu bringen: ich habe eine 0.6mm Düse, die häufig zum Einsatz kommt (gelegentlich sogar mit 0.5mm Layerhöhe!). Gerade jetzt drucke ich den Corona
Gesichtsschutz mit 0.6mm Düse und 0.4mm Layerhöhe. Das ergibt 14.4mm³/s, womit die Düsen-‚Schmelzkammer‘ in 3.4 Sekunden ‚leer‘ wäre. Damit ist die Situation eigentlich schon ähnlich wie eben beschrieben, oder?
Also wird man die Schmelzkammer nur dann recht klein machen können, wenn das Material bereits vorgewärmt in der Kammer ankommt. Siehe Idee
hier.
Vielleicht täusche ich mich, aber es scheint als ob georg-AW bereits so einen Ansatz gefunden hat. Im
Beitrag mit seiner 'Version A' zeigt er im
Bild zwei aufgepresste magnetisierbare Ringe. Damit wäre der untere Ring nur für die Schmelzkammer zuständig (die genau geregelt wird) und der obere Ring könnte das Vorwärmen übernehmen.
Dabei muss die 'Vorwärmkammer' nicht zwingend geregelt werden. Bloß bin ich mir hier nicht sicher. Einerseits sollte das Material vorgewärmt werden, um eine kleine Schmelzkammer zu ermöglichen, andererseits wird das Material, ab einer gewissen Temperatur bereits weich, staucht sich auf und erzeugt dadurch schon erhöhte Reibung, die der Förderkraft entgegenwirkt. Ist der aufgestauchte Bereich sehr groß, steigen die Förderkräfte so stark an, dass das 'Fräsen' des Filaments unvermeidlich wird. So was kann bei PLA schon ab 60°, spätestens ab 70° eintreten. Andererseits würden ASA oder ABS hier deutlich höhere Temperaturen vertragen. Schafft man das ohne Regelung?
Ich finde die Idee der induktiven Heizung trotzdem toll. Einer der Punkte, wo vermutlich noch viel Potential liegt, ist die Größe. In einem weiteren
Beitrag georg-AWs, sieht man im Bild einen Prototyp, wo die Größe noch praktisch gleich dem des V1/V2s ist.
Hier ein Vergleich:
InductiveVsV2.jpg
ACHTUNG: Ich spreche hier nur die Größe der Heizung an, nicht die des gesamten Hot Ends (das Hot End sollte vermutlich annähernd gleich groß sein, um problemlos im RFx000 eingesetzt zu werden).
Damit ist aber noch lange nicht gemeint, die thermische Masse wäre gleich. Die induktive Variante kann/könnte eine deutlich niedrigere Masse aufweisen als das V2 Hot End oder einem E3Dv6. Ich vermute aber, dass die induktive Spule dazu 'luftiger' werden müsste, damit vom beheiztem Bereich die Wärme besser und damit rascher abstrahlen kann. Ist der beheizte Teil schön in PEEK verpackt, wirkt das isolierend und verlängert die Abkühlzeit.
Na ja, so halt meine Gedanken dazu...
Allseits Gesundheit!
mjh11