Anlässlich der Master-Arbeit der Uni Perm in Russland, die anwofis in diesem Beitrag aufbrachte (Master-Arbeit selbst, siehe hier), musste ich mir Gedanken machen, was diese Arbeit eigentlich erreichen wollte. Im Gegensatz zu der Einleitung, wo der menschliche Eingriff als ‚schädlich‘ (harmful) deklariert wurde, behandelte die Arbeit bloß die Heizung des Extruders, und auch da wurde nur eine induktive Heizlösung untersucht.
Also liegt es an der Heizung, interpretiere ich einmal frei von der Leber. Gut, damit kann ich sicherlich besser leben als mit dem (vermutlich irrtümlicherweise) angegebenen menschlichen Einfluss.
Damit kommen wir wieder ins Sinnieren…
Was soll die Heizung im Idealfall?
- Das Material auf die optimale Verarbeitungstemperatur bringen.
- Und das in möglichst kurzer Zeit. (Das heißt aber auch: ‚ohne es zu lange auf Temperatur zu halten‘.)
- Und ohne das Material zu schädigen (z.B. durch Überhitzung, oder auch: siehe Nachsatz in der vorigen Zeile).
- Das Material in der Übergangszone so weit erwärmen, dass sich der notwendige Pfropf bilden kann.
- Kunststoffe sind generell schlechte Wärmeleiter.
- Einen ungleichmäßigen Materialfluss während des Drucks (einmal wird viel gefördert, dann wieder fast nichts).
- Unterschiedliche Wärmeleitwerte der eingesetzten Materialien. Zum Beispiel leiten BrassFill oder Kohlefaserfilamente die Wärme sicherlich besser als reine Kunststoffe, aber auch die Pigmente, selbst, beeinflussen die Wärmeleitfähigkeit in einem gewissen Maße innerhalb einer Materialklasse.
- Fehlende oder kaum vorhandene Konvektion in der Heizkammer (Konvektion ist die natürliche Durchmischung durch Temperaturunterschiede).
Es gibt dutzende Hot End Varianten, mittlerweile. Aber die meisten sind prinzipiell ähnlich aufgebaut:
Eine recht lange/tiefe Bohrung, etwas größer als der Filamentdurchmesser.
Im unteren Bereich eine Heizung, mittels Temperatursensor überwacht.
Am unteren Ende eine austauschbare Düse, die der Zugänglichkeit halber recht frei steht.
Aus der Sicht des Filaments besteht diese lange Bohrung aus drei Bereichen
- Der kalte Bereich (Cold Zone), wo das Filament noch völlig fest ist. Dieser Bereich muss natürlich nicht wirklich ‚kalt‘ sein, das Filament könnte knapp an die 50° warm sein, ohne seine Festigkeit drastisch einbüßen zu müssen.
- Der Übergangsbereich (Transition Zone), wo das Filament seine Festigkeit zu verlieren beginnt, und sich, als Folge des Drucks und Gegendrucks, zu stauchen beginnt. Das ist nicht unwichtig, denn der aufgestauchte Pfropfen dichtet nach oben hin ab und verhindert, dass verflüssigtes Filament nach oben ausweicht.
- Die Schmelzkammer selbst (Hot Zone), in der das Material beinahe oder völlig flüssig ist (zumindest hat es eine sehr niedrige Viskosität). Die Düse bildet hier das untere Ende des Systems, wo schließlich das Material (möglichst kontrolliert) austreten soll.
Eine der Nachteile, die (fast?) alle Systeme innehaben, ist die fehlende, sofortige Temperaturregelung des heißen Bereichs, der Schmelzkammer. Alle üblichen Systeme verwenden inzwischen häufig ‚Huckepack-Heizungen‘, die von außen die Schmelzkammer erhitzen. Zum Einsatz kommt hier meist ein massiver Alu- oder Kupferblock, in der eine Heizpatrone montiert ist. Durch die Konstruktion selbst, die thermische Masse des Heizblocks, ergibt sich eine thermische Hysterese, die eine sofortige Regelung behindert und verzögert. Wird die Heizung abgeschaltet, dauert es einige Zeit, bis die überschüssige Wärme aus dem Heizblock aufgebraucht wurde (zum Beispiel durch Abstrahlung oder durch Erwärmung frischen Filaments). Wird die Heizung eingeschaltet, vergeht ebenfalls etwas Zeit, bevor die Schmelzkammer, und schließlich das Filament selbst, was davon ‚mitbekommt‘.
Ich glaube, die oben zitierte Master-Arbeit zielte auf eine Minimierung dieser Hysterese indem die thermische Masse des Hot Ends durch den Einsatz einer induktiven Heizung reduziert wird.
Falls jemand jahrelang einen ‚konventionellen Herd‘ (Halogen oder ähnlich) in Verwendung hatte, und dann auf einen induktiven Herd gewechselt hat, wird das leicht nachvollziehen können.
Die Düse in der Master-Arbeit sieht so aus (die Originalzeichnung ist nur eine Schnittzeichnung – hier wurde diese kopiert & gespiegelt): Die Düse selbst ist der innerste, zylindrische Teil. Etwas mehr als die untere Hälfte ist von der Induktionsspule umgeben, dann weiters von irgendeiner Abschirmung (vermutlich).
Die Schmelzkammer in der Düse ist beinahe 22mm lang.
Ungefähr im Bereich des Heat Breaks (dem unteren Einschnitt in der Düse) wird sich eine recht kurze Übergangszone ausbilden, die kaum länger als die Nutbreite sein wird.
Insgesamt ist weit weniger Metall im Erwärmungsprozess beteiligt als in ‚konventionellen‘ Designs, da der Heizblock samt Heizpatrone fehlt. Dadurch könnte das System rascher reagieren, sowohl bei der Abkühlung als auch beim Heizen.
Leider wird bei dem gezeigten System der Düsenwechsel schwierig. Wenn überhaupt, müsste die (sehr lange) Düse nach unten hin entfernt werden. Vermutlich müsste die induktive Heizung mit gewechselt werden, wenn diese auf die Düse 'eingestimmt' werden muss.
Die Düse erinnert mich ein wenig an die Düse meines ersten Druckers, eines Mendels.
Der gelbe Teil ist die Düse (aus Messing). Darüber, in weiß, ist ein massives Teflonstück. Der obere, hellgraue Teil ist ein PEEK Stück, dass zusammen mit den Gewindestangen das Ganze zusammenspannt und -hält. Der untere hellgraue Teil ist der Heizblock, von unten mit einer Sechskantmutter befestigt (in gelb/grauer Farbe). Alle gezeigten Teile mussten demontiert werden, falls man die Düse wechseln wollte.
Wie kann ich, mit unserem ‚konventionellem‘ System, die Hysterese des Heizsystems herabsetzen? Würde das was bringen? Kann man auf eine andere Art das System verbessern und/oder die Nachteile minimieren?
Demnächst geht es hier weiter.
mjh11